Jede Frage „Warum….?“ kann man abschließend mit einem einfachen „Warum denn auch nicht!“ beantworten, damit ist nicht etwa die Diskussion im Keime erstickt, sondern es steckt der Ansatz dahinter, dass vielleicht nicht alles eine Antwort erwartet, nicht alles immer zu hinterfragen ist und dass vielleicht auch einfach mal Dinge offen auszuprobieren sind.
Aber es gibt auch gute Gründe Kafka zu lesen! Zum Beispiel….
… lässt Kafka uns Staunen
Wer „Die Verwandlung“ von Kafka liest, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus und möchte am liebsten in den Text springen und alle mal kräftig rütteln. Da liegt Gregor Samsa im Bett und berichtet nüchtern, lakonisch, er sei in ein Ungeziefer verwandelt… aber warum denn nur? Stell doch endlich mal die Frage „warum?“.
Josef K. wird eines Tages verhaftet, er weiß nicht warum und das Ganze ist auch aberwitzig absurd und dennoch sucht er einen Verteidiger ohne zu wissen, wessen er beschuldigt wird und akzeptiert schließlich sein Urteil, ohne zu wissen, wie dieses lautet. Das kann doch gar nicht sein und dennoch wird es uns so sachlich und alternativlos geschildert, dass wir am Ende des Romans vollkommen verwundert alleine zurückbleiben.
Ein Sohn wird von seinem Vater zum Selbstmord verurteilt, ein Trapezkünstler lebt hoch oben im Trapez und will den Boden nie wieder berühren, ein Künstler hungert sich weg, Türsteher versperren Tore, die stets offen sind und eigentlich jederzeit passiert werden können… all dies sind Ausschnitte aus Kafkas Prosawelt zum Staunen, wundern und vergnügten Lesen.
… schult Kafka die Sprache
Kafkas Prosa ist eine ganz einfache Sprache. Nüchtern, direkt, knapp. Sie kennt überwiegend nur kurze Sätze, verwendet keine Fremdwörter, ist immer geradeaus und es wohnt ihr dadurch im Lesen eine objektive Wahrheit inne. Eben weil sie so kurz, knapp und nüchtern ist, vertraut man ihr und ist von den Texten so gefangen. Es ist diese Sprache, die bei der Lektüre der ersten Zeilen des „Prozess“ dem Leser direkt suggeriert: ja, Josef K. ist verhaftet worden und dies in seinem eigenen Zimmer, anders kann es gar nicht sein, dies hat alles so seine Richtigkeit. Während wir Leser dies so hinnehmen, kommen uns dann doch wieder Zweifel, die zum Staunen führen.
Wer Kafkas Sprache aufmerksam verfolgt, kann lernen, was mit einer einfachen und verdichteten, knappen Sprache alles zu bewegen ist. Hierfür braucht es keiner Kunstgriffe, keiner Schnörkel, keiner Fremdwörter – nur einfache Worte.
… liefert Kafka Zitate
„Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen... ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.„
„Wege entstehen dadurch, daß man sie geht“
„Richtiges Auffassen einer Sache und Mißverstehn der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.„
… hilft Kafka Erkennen
Wie kein anderer deutscher Autor thematisiert Franz Kafka die Abhängigkeit des einzelnen von seiner Gesellschaft, also den ihn umgebenden Menschen. Lange vor den Existenzialisten erkennt Kafka, dass die anderen Mitmenschen einem das Leben zum Paradies oder eben auch zur Hölle machen können, denn zwischenmenschliche Beziehung sind sehr zerbrechlich, wir alle sind auf die anderen angewiesen. Wir können unter den Menschen aufgehen und aufblühen oder scheitern und untergehen.
„Nur dadurch, daß die Menschen alle Kräfte spannen und einander liebend helfen, erhalten sie sich in einer leidlichen Höhe über einer höllischen Tiefe, nach der sie wollen. Untereinander sind sie durch Seile verbunden und bös ist es schon, wenn sich um einen die Seile lockern, und er ein Stück tiefer sinkt als die anderen in den leeren Raum und gräßlich ist es, wenn die Seile um einen reißen und er jetzt fällt. Darum soll man sich an die anderen halten.“
Brief an Oskar Pollak, 21. Dezember 1903