Vater und Sohn haben sich auseinandergelebt, der Vater misstraut seinem Sohn und nach einem kurzen Streit fällt der Vater ein Todesurteil über seinen Sohn, was dieser reglos hinnimmt und sich in den Fluss stürzt. Dies ist die kurze Zusammenfassung von Franz Kafka „Das Urteil“, einem der am häufigsten untersuchten und interpretierten, weil auch widersprüchlichsten Erzählung von Kafka.
Denn wer ist eigentlich der alte, der hier ein Todesurteil spricht. Der Sohn muss seinen Vater vom Sessel in das Bett tragen, er muss ihn aus- und umziehen und er trägt ihn wie ein kleines Kind.
„Es schien ja fast, wenn man genauer zusah, daß die Pflege, die dort dem Vater bereitet werden sollte, zu spät komme.
Auf seinen Armen trug er den Vater ins Bett. Ein schreckliches Gefühl hatte er, als er während der paar Schritte zum Bett hin merkte, daß an seiner Brust der Vater mit seiner Uhrkette spielte.“
Es gibt nicht viele Untersuchungen zum Thema Demenz in Kafkas Werk. Hier ist die Bachelorarbeit von Kirsti Ferch, „War Georg Bendemanns Vater dement?“ an der Linnéuniversität in Kalmar Vaxjö, Schweden eine lesens- und beachtenswerte Ausnahme.
Weder aus Kafkas Werk, noch seinem persönlichen Umfeld oder seiner Biografie lässt sich eine Erfahrung oder Auseinandersetzung mit der Altersdemenz belegen. Der Begriff und das Phänomen war allerdings auch schon zu Kafkas Lebzeiten bekannt.
Wer selber Erfahrung mit Demenz im persönlichen Umfeld hat, insbesondere wenn es die eigenen Eltern betrifft, so kann man kaum umhin, den Vater in „Das Urteil“ voreingenommen zu betrachten, denn es gibt so viele Parallelen zu beobachten: wie das Leben durch den Verlust eines Partners durcheinander gerät, vielleicht die Demenz auch erst sichtbar wird, da sie nicht mehr vom Partner kompensiert wird, die Pflegebedürftigkeit, das Schwanken zwischen unbändiger Wut und kindlicher Unschuld, das Misstrauen und vieles mehr.
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