Am 24. Januar 1922 schrieb Kafka in sein Tagebuch:

„Das Zögern vor der Geburt. Gibt es eine Seelenwanderung, dann bin ich noch nicht auf der untersten Stufe. Mein Leben ist das Zögern vor der Geburt.“

Und dennoch kam er zur Welt. Am 3. Juli 1883 erblickte Franz Kafka während einer Hausgeburt, begleitet durch die Hebamme Sofie Popper, als erstgeborener Sohn der Eheleute Herrmann und Julie Kafka das Licht der Welt. Die Familie Kafka wohnte zu diesem Zeitpunkt im Haus „Zum Turm“, von dem nach einem Brand im Jahr 1897, heute lediglich die Eingangspforte erhalten geblieben ist.

Büste Franz Kafkas an seinem „Geburtshaus“

Die Büste an Franz Kafkas Geburtshaus trägt die Inschrift „Zde se 3.7.1883 narodil Franz Kafka“, übersetzt „Hier wurde am 3.7.1883 Franz Kafka geboren“. Auch wenn vom tatsächlichen Geburtshaus, abgesehen vom Eingangsportal, nichts mehr erhalten ist, lohnt sich ein kurzer Abstecher hierhin und zahlreiche Kafkatouren starten ebenfalls hier.

Acht Tage nach der Geburt wurde Franz Kafka von Moritz Weisl beschnitten. Von dieser Beschneidung können wir uns tatsächlich quasi ein Bild aus Kafkas eigenen Augen machen, denn am 24. Dezember 1911 notierte er in seinem Tagebuch, wie sich die Beschneidung seines Neffen zugetragen hat:

„Heute vormittag Beschneidung meines Neffe. Ein kleiner krummbeiniger Mann, Austerlitz der schon 2800 Beschneidungen hinter sich hat, führte die Sache sehr geschickt aus. Es ist eine dadurch erschwerte Operation, daß der Junge statt auf dem Tisch auf dem Schoß seines Großvaters liegt und daß der Operateur, statt genau aufzupassen, Gebete murmeln muß. Zuerst wird der Junge durch Umbinden, das nur das Glied frei läßt, unbeweglich gemacht, dann wird durch Auflegen einer durchlochten Metallscheibe die Schnittfläche präcisiert, dann erfolgt mit einem fast gewöhnlichen Messer einer Art Fischmesser der Schnitt. Jetzt sieht man Blut und rohes Fleisch, der Moule hantiert darin kurz mit seinen langnägeligen zittrigen Fingern und zieht irgendwo gewonnene Haut wie einen Handschuhfinger über die Wunde. Gleich ist alles gut, das Kind hat kaum geweint. Jetzt kommt nur noch ein kleines Gebet, während dessen der Moule Wein trinkt, und mit seinen noch nicht ganz blutfreien Fingern etwas Wein an die Lippen des Kindes bringt. Die Anwesenden beten: ‚Wie er nun gelangt ist in den Bund, so soll er gelangen zur Kenntnis der Tora, zum glücklichen Ehebund und zur Ausübung guter Werke.'“

(Franz Kafka, Tagebücher, Frankfurt/Main 2002, S. 310f.)

Zum 110. Geburtstag hatte auch das WDR Zeitzeichen an Franz Kafka erinnert – ein Beitrag, der auch heute noch hörenswert ist.

Quellen:

  • Stach, Rainer: Kafka von Tag zu Tag, Frankfurt/Main 2018, S. 23
  • Alt, Peter-André: Franz Kafka. Der ewige Sohn, München 2005, 3. Auf. 2018, S48f.
  • Kafka, Franz: Tagebücher, Frankfurt/Main 2002, S. 310f.