„19. I 14 Angst im Bureau abwechseln mit Selbstbewußtsein. Sonst zuversichtlicher. Großer Widerwillen vor „Verwandlung“. Unlesbares Ende. Unvollkommen fast bis in den Grund. Es wäre viel besser geworden, wenn ich damals nicht durch die Geschäftsreise gestört wurden wäre.“
(Franz Kafka, Tagebücher, Frankfurt/Main 2002)
Vor hundertundzehn Jahren war dies der letzte Tagebucheintrag von Kafka zur Erzählung „Die Verwandlung“ bevor er sie Ende Januar an Franz Blei zur Veröffentlichung sendete. Er quälte sich mit der Geschichte und deren Abschrift aus seinen Oktavheften in ein Manuskript, seit dem Kurt Wolff in im März 1913 um das Manuskript gebeten hatte.
Franz Kafka hatte mit der Niederschrift der Verwandlung am 17. November 1912 begonnen, wie er in einem Brief am selben Tag an Felice Bauer mitteilte:
„Ich werde Dir übrigens heute wohl noch schreiben, wenn ich auch noch heute viel herumlaufen muß und eine kleine Geschichte niederschreiben werde, die mir in dem Jammer im Bett eingefallen ist und mich innerlichst bedrängt.“
(Brief an Felice Bauer vom 17. November 1912)
Und einen Tag später schreibt er wieder an Felice:
„Gerade setzte ich mich zu meiner gestrigen Geschichte, mit einem unbegrenzten Verlangen, mich in sie auszugießen, deutlich von aller Trostlosigkeit aufgestachelt.“
(Brief an Felice Bauer vom 18. November 1912)
Er schloss die Erzählung am 6. Dezember 1912 unzufrieden ab. Die Unterbrechung vor der Kafka im Tagebuch schreibt, war lediglich eine eintägige Dienstreise am 26. November nach Kratzau.
„Liebste, also höre, meine kleine Geschichte ist beendet, nur macht mich der heutige Schluß gar nicht froh, er hätte schon besser sein dürfen, das ist kein Zweifel.“
(Brief an Felice vom 6. Dezember 1912
Heute zählt „Die Verwandlung“ zu den am häufigsten und am kontroversesten gedeuteten Werken von Franz Kafka, wird in der Schule gelesen, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und sie schafft es vermutlich problemlos in jedes Ranking der Top Ten von Kafkas Werken. Kafka selbst war nicht zufrieden mit der Geschichte, denn er glaubte, dass er diese Geschichte „höchstens mit einer Unterbrechung in zweimal 10 Stunden niederschreiben“ hätte müssen (Brief an Felice Bauer vom 24./25.11.1912) und er nun nur das bestmögliche draus machen könne, aber wenn man sich die Handschriften von Kafka hier anschaut, tut er sich selbst Unrecht. Er hat die Handlung chronologisch aufgezeichnet und es gibt nur wenige Korrekturen während des Schreibens. Er hat also keineswegs mit der Geschichte gehadert oder musste aufgrund der langen Schreibdauer immer wieder neu ansetzen oder korrigieren. Ganz im Gegenteil scheint auch die Verwandlung – ähnlich wie „Das Urteil“ aus einem Guss zu sein.
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