Unter dem Titel „Wahrheit ist unteilbar“ erscheint am 20. März 2024 im Reclamverlag eine Ausgabe der Aphorismen von Franz Kafka, die meisten von ihnen entstanden zwischen 1916 und 1917 während seines Aufenthaltes in Zürau. Der Titel ist entnommen aus dem Zürauer Aphorismus „Wahrheit ist unteilbar, kann sich also selbst nicht erkennen; wer sie erkennen will, muß Lüge sein.“

Leider wird Franz Kafka immer wieder auf dieser Sockel des „einzig wahren schönen“ gehoben, wo er sich selbst vermutlich nicht gesehen hätte, da er doch lieber unauffällig blieb. Vielleicht hat auch Max Brod hierzu seinen Teil beigetragen, da er immer wieder einen allgemeinen „Drang zur Wahrheit“ von Franz Kafka herausbeschwor und ihn somit auch zu einem Propheten verklärte, so sagte er noch in einem seiner letzten Gespräche mit Georg Stadtler 1968:

„Letzten Endes möchte ich sagen, war er ein strenger Moralist, ein Lehrer, er lehrte nicht durch abstrakte Dogmen, sondern durch sein ganzes ausschließlich auf Aufrichtigkeit und Wahrheit und Natürlichkeit gerichtetes Sein.“

(Max Brod in einem Gespräch 1968)

Auch Alois Prinz hat in seiner durchaus lesenswerten Franz Kafka Biografie „Auf der Schwelle zum Glück“, die am 15.01.2024 in einer unveränderten Neuauflage im insel taschenbuch erschien, diesen verklärten Blick:

„[…] Das gilt auch für Kafkas Leben. Obwohl es an äußeren Ereignissen arm war, hatte es doch eine innere Wahrheit, die man ebenfalls nicht allgemein feststellen kann, sondern die jeder, der dieser Leben betrachtet, für sich anerkennen oder leugnen muss. Diese Wahrheit steht nicht in großen Buchstaben über seinem Leben, sondern versteckt es sich im unspektakulären Alltag des Prager Versicherungsangestellten […]“

(Alois Prinz, „Auf der Schwelle zum Glück„, Berlin 2024)

Franz Kafka ist weder Prophet noch Besitzer einer wie auch immer gestalteten Wahrheit, er ist ein Dichter, dem der geneigte Leser in seinen eigenen Interpretationen und Gedanken wahre Aussagen zueignen mag.