„Kafkas Sohn“ ist zunächst ein Buchtitel von Szilárd Borbély, Prosa aus Borbélys Nachlass, in der ein junger Autor versucht im Schreiben eine Heimat zu finden. Kafka dient hier als Projektionsfigur des verzweifelten Menschen. Man merkt den Texten durchaus an, dass Szilárd Borbély von Kafka Werken inspiriert wurde. Insgesamt sind es diverse Text, die vermutlich zu einem großen Kafkatext einmal zusammengeschlossen werden sollten, was jedoch durch Borbély Freitod 2004 nicht mehr umgesetzt werden konnte.

Aber zu „Kafkas Sohn“ gibt es auch Gerüchte, die seit 1954 durch Max Brod in „Franz Kafka. Eine Biographie“ (in der dritten Auflage) in die Welt gesetzt wurden:

„Im Frühjahr 1948 schrieb mir der damals in Jerusalem lebende Musiker Wolfgang Schocken, daß aus dem, was ihm einst anvertraut wurde, klar hervorgehe, Kafka habe einen Sohn gehabt. Als Beweis zeigte er mir einen Brief einer Dame M.M. (Grete Bloch; über die Briefe an sie vgl. „Verzweiflung u. Erlösung“), mit der er (der Erzähler) gut befreundet gewesen sei. Die Dame lebte damals (1948) nicht mehr, das Kind war schon länger als zwanzig Jahre tot.“

(Max Brod, „Über Franz Kafka“, S. 209, Fischer Taschenbuch Verlag, 1984)

Auch Louis Begley kocht 2008 in „Die ungeheure Welt, die ich im Kopf habe. Über Franz Kafka“ mit in dieser Gerüchteküche:

„Über Kafka und Grete Bloch kursiert eine seltsame, von Grete Bloch selbst erfundene Geschichte. 1940, sechzehn Jahre nach Kafkas Tod, schrieb sie aus Italien, wo sie zu der Zeit lebte, an einen Freund in Israel und erzählte ihm, sie habe 1914 einen Sohn Kafkas geboren, das Kind sei aber im Alter von sieben Jahren plötzlich gestorben.“

(Louis Begley, „Die ungeheure Welt, die ich im Kopf habe“, München 2008, S. 157)

Eine Quelle für diese „erfundene Geschichte“ nennt Begley leider nicht, ganz im Gegenteil schreibt er weiter:

„Weder in Kafkas Briefen noch in seinen Tagebüchern noch in Brods Erinnerungen gibt es den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß dies der Wahrheit entsprach…“

Dass Begley offensichtlich „Brods Erinnerungen“ nicht ganz aufmerksam gelesen hat, soll das Urteil über seinen überaus lesenswerten Kafka-Essay nicht schmälern. Am Ende heißt es so oder so: es ist nur ein Gerücht, gänzlich unwahrscheinlich ohnehin – und durch absolut nichts zu belegen.

Das Beitragsbild zeigt auch nicht Kafkas Sohn, sondern Franz Kafka vermutlich 1884 im Alter von etwa einem Jahr.