„Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und alle Antworten sind im Hund enthalten.“

(Franz Kafka, Aus den Forschungen eines Hundes)

Der junge, hübsch anzuschauende Franz Kafka, schick mit Melone gekleidet. So wie in der oben abgebildeten Photographie, die um 1906 oder 1908 entstanden sein muss (Wagenbach, S. 61), stellen sich viele Franz Kafka in jungen Jahren vor, zumal das Bild auch heute noch eine große Verbreitung findet.

Die Zeit nutzte es in einem Essay von Maxim Biller über Kafka, es ist auf Verlagswebseiten zu finden, wie z.B. im Diogenes Verlag, es ziert Buchumschläge wie „Franz Kafka. Träumer und Rebell“ von Michael Löwy, ist Vorlage für Bilder, Zeichnungen und Videofilme, wie z.B. auf Planet Schule und sucht man bei Google nach Kafka-Bildern wird man noch zahlreiche weitere Verwendungen dieses Photos finden. Was jedoch die wenigsten wissen ist, dass es sich bei diesem Bild lediglich um einen kleinen Bildausschnitt handelt. Das vollständige Bild zeigt Franz Kafka mit Hund und der Kellnerin Hansi Julianne Szokoll, die Kafka aus einer Prager Weinstube kannte:

Quelle: Klaus Wagenbach, Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, Berlin 2008

Nun, wer ist dieser Hund und ist es vielleicht sogar Kafkas eigener Hund? Im gesamten Tagebuch gibt es nur einen Hinweis auf einen Hund, denn am 27. Juli 1922 notiert Kafka in seinem Tagebuch: „[…] Gestern Abendspaziergang mit dem Hund. […]“ Allerdings ist nicht klar, mit wessen Hund er hier spazieren geht und es werden auch sonst keine weiteren Details über den Spaziergang oder seinen vierbeinigen Begleiter bekannt. Kafka befindet sich zu dieser Zeit zur „Sommerfrische“ bei seiner Lieblingsschwester Ottla und möglicherweise ist es ihr Hund, der hier erwähnt wird.

Doch gehen wir wieder ein paar Jahre zurück in die Nähe der Entstehung der obigen Photographie. Am 28. August 1904 schreibt Franz Kafka in einem Brief an Max Brod:

„Bei einem Spaziergang ertappte mein Hund einen Maulwurf, der über die Straße laufen wollte. Er sprang immer wieder auf ihn und ließ ihn dann wieder los, denn er ist noch jung und furchtsam.“

(Franz Kafka, Briefe 1900 – 1912, Frankfurt/Main 1999)

Hier schreibt Franz Kafka tatsächlich von seinem Hund und schildert ihn als „jung und furchtsam“ – die Photographie könnte also tatsächlich den, dann bereits etwas älteren, Hund von Franz Kafka zeigen. Auch in den Zürauern Zettel kann man einen Hinweis auf einen Hund in der Kindheit finden. Hier böte sich also Stoff für ambitionierte Kafka-Biographen und einer „Forschung über Kafkas Hund“ – ich mag es überlesen haben, aber ich finde für Kafkas Hund keine Belege bei Wagenbach, Alt, Stach und Co.

Am Ende dieses Artikels ankommend, mag sich der Leser fragen „Was ist den eigentlich mit Hansi Julianne Szokoll?“ Nun auch darauf soll es eine kurze Antwort geben. Kafkas – sagen wir mal neurotisches – Verhältnis zu Frauen ist bekannt und wird auf diesen Seiten auch noch behandelt werden müssen und auch zu der Kellnerin hatte Kafka eine sehr kurze und überaus unglückliche Romanze, von der Max Brod in seinen Erinnerungen berichtet:

„Ich erinnere an seine Leidenschaft zu einer Weinstubenkellnerin namens Hansi, von der er einmal sagte, ganze Kavallerieregimenter seien über ihren Leib geritten. Franz war in dieser Liaison sehr unglücklich.“