Im Hessischen Staatsballett Wiesbaden feiert am 24.05.2024 das Tanzstück „Kafka“ von Antonio de Rosa und Mattia Russo seine Uraufführung. Das einstündige Stück ist eine Auftragsarbeit des Hessischen Staatsballetts anläßlich des Kafka-Jahres und ist eine besondere künstlerische Auseinandersetzung mit Leben und Werk von Franz Kafka.
Dies ist nicht die erste Tanzadaption in Bezug zu Franz Kafka. Schon im Jahr 2015 inszenierte der italienische Choreograf und Tänzer Mauro Bigonzetti Kafkas „Der Prozess“ in der Staatsoper Hannover als Tanzstück. Im Jahr 2017 wurde eine abendfüllende Kafka-Ballettinszenierung kurzfristig krankheitsbedingt abgesagt und im tschechischen Pilsner Tyl-Theater wurde 2018 „Die Verwandlung“ als Ballett inszeniert – um nur einige wenige Beispiel zu nennen. Die Adaption von Kafka für das Ballett ist also nicht vollkommenes Neuland.
Was Kafka heute dazu denken und sagen würde, gehört in den Bereich der Spekulation, aber wir wissen, dass Kafka nicht nur ins Theater und Kino ging, sondern auch das Ballett besuchte. So sah er als 25-Jähriger im Mai 1909 das Gastspiel des kaiserlich-russischen Staatsballetts aus Sankt Petersburg, u.a. mit der Tänzerin Eduardowa (das Bild oben zeigt die Tänzerin um 1913), wovon einige seiner frühesten Tagebucheinträge zeugen:
„Ich bat im Traum die Tänzerin Eduardowa, sie möchte doch den Czardas noch einmal tanzen. Sie hatte einen breiten Schatten oder Licht mitten im Gesicht zwischen dem untern Stirnrand und der Mitte des Kinns […]“
(Franz Kafka, Tagebücher, Erstes Heft)
Der Czardas ist ein wilder, volkstümlicher Tanz aus Ungarn und enthält viele improvisierte Elemente. Der große Brockhaus schreibt 1934: „[Er] wird von beliebig vielen, im Kreis aufgestellten Paaren ausgeführt. Er zerfällt in einen ruhigen mit gemessenen Bewegungen und einen heftigen, sich bis zu großer Leidenschaftlichkeit und Wildheit steigernden Teil.“ Von dieser Leidenschaftlichkeit wird Kafka durchaus angetan gewesen sein, wovon er auch noch Jahre später Felice Bauer berichten wird:
„[…] aber morgen ist das russische Ballet zu sehen. Ich habe es schon vor 2 Jahren einmal gesehen und Monate davon geträumt, besonders von einer ganz wilden Tänzerin Eduardowa.“
(Franz Kafka, Briefe 1913 – 1914, Frankfurt/Main 1999, Brief an Felice 17./18. Januar 1913)