Nur wenigen Autoren wird die Ehre zuteil, dass aus ihrem Namen ein Adjektiv gebildet wird: kafkaesk.

Wenngleich auch noch im Duden als Teildefinition „in der Art Kafkas“ zu finden ist, so ist dies nicht als die eigentlich Bedeutung des Wortes zu betrachten. Kafkaesk ist die unheimliche, lakonische geschilderte Bedrohung der man nicht ausweichen kann, ein Unheil, das hingenommen werden muss, eine grotesk-absurde Situation, die selbstverständlich erscheint. Ein gutes und vermutlich das berühmteste Beispiel ist der Anfangssatz aus dem Prozess – vielleicht einem der berühmtesten Sätze der Weltliteratur im 20. Jahrhundert überhaupt:

„Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“

(Franz Kafka, Der Prozess)

Neben Kafka ist es der griechische Dichter Homer, der im Adjektiv „homerisch“ verewigt und der italienische Dichter Dante, der in „dantesk“ heute noch gewürdigt wird. Das homerische Gelächter ist das schallende Gelächter der Götter, das Homer zum Beispiel in der Ilias I, 599 als „unermeßlich Lachen erscholl den seligen Göttern“ oder in der Odyssee VIII, 325 als „ein langes Gelächter erscholl bei den seligen Göttern“ beschreibt. Dantesk beschreibt etwas Leidenschaftliches, Erschreckendes oder auch Gewalttätiges, doch seien wir ehrlich: homerisch und dantesk werden hier nur der bildungssprachlichen Vollständigkeit wegen genannt. In der freien Wildbahn der gesprochenen und geschriebenen Sprache sind sie so selten anzufinden wie der Yeti im Himalaja.

Anderen großen Dichter wie Goethe, Shakespeare, Heine oder Rilke wurde diese Ehre nicht zuteil, aber sie werden es wohl verschmerzen können.

Kafkaesk hingegen wird schon beinah inflationär verwendet, so dass wir gut beraten sind, all jenen zu mißtrauen, die das Wort allzu leichtfertig gebrauchen und schon jeden Behördengang als kafkaesk empfinden. Wenn kafkaesk als Modewort oder Ausdruck einer vermeintlichen Bildung verwendet wird, verstellt es nur den Blick auf Autor und Werk.