Mitte Mai 1885 – Kafka ist knappe zwei Jahre alt – zieht die Familie Kafka das erste Mal innerhalb von Prag um. Sie ziehen aus Kafkas Geburtshaus in die Adresse Wenzelplatz 56. In den Jahren 1885 bis 1888 ziehen die Kafkas insgesamt dreimal um, jedoch alle Häuser in diesen Adressen sind nicht mehr erhalten. Man könnte die Familie Kafka für Nomaden halten, denn in der kurzen Lebensspanne von Franz Kafka zog er alleine oder mit seiner Familie über ein Dutzend mal innerhalb von Prag um – und hier sind nicht einmal die Umzüge der Geschäftsdresse oder sein Aufenthalt im Goldenen Gässchen mit einbezogen.
Wer heute Prag besucht kann zahlreiche Häuser, in denen Franz Kafka lebte oder schrieb, noch besuchen, zumindest finden sich die Adressen noch, denn nicht alle Häuser sind erhalten.
Geboren wurde Franz Kafka am 3. Juli 1883 in der Rathausgasse (heute Náměstí Franze Kafky). Von dort zog die Familie in den Jahren 1885 bis 1888 zunächst in die Neustadt an den Wenzelplatz 56, dann in die Geistgasse V/187 und schließlich in die Niklasstraße 6 – beide letzteren Adressen im alten jüdischen Ghetto. Vom Ghetto ging es 1888 in das Sixthaus in der Zeltnergasse 2 (heute Celetná 2) und von dort 1889 ins Haus Minutá am Altstädter Ring. Hier blieb die Familie immerhin drei Jahre leben, bevor sie 1892 zurück in die Zeltnergasse 3 (heute Celetná 3) ins Haus Zu den drei Königen zog. Die Familie war nun fast schon seßhaft geworden, denn erst 1907 kam der nächste Umzug in das Haus Zum Schiff in der Niklasstraße 36. In dieser Adresse entstand im September 1912 Kafkas Erzählung „Das Urteil“ und erst im Jahr 1913 erfolgte der nächste und vorläufig letzte Adresswechsel in das Oppelthaus an der Ecke Pariser Straße/Altstäder Ring (heute Parizska trida/ Staromestske namesti).
Das Oppelthaus ist eigentlich die letzte gemeinsame Adresse der Familie Kafka, aber dennoch hatte Franz Kafka in den Jahren 1914 bis 1917 weitere Adressen. So bewohnte er 1914 eine Adresse in der Bilekgasse (heute Bílkova) und später in der Nerudagasse. Dies waren aber die Wohnungen seiner Schwestern Ellie und Vallie, die nach Kriegsausbruch mit ihren Kindern zurück in die elterliche Wohnung zogen, das ihre beiden Männer an die Front eingezogen wurden und Franz Kafka aus Platzgründen weichen musste. In diesen Jahren, genauer 1916, verbrachte Kafka auch einige Zeit im Goldenen Gässchen. Dort verbrachte er jedoch nur die Nachmittage und Abende zum Schreiben, denn Schlafen konnte man aus Platzgründen in diesem kleinen Refugium nicht.
Dies ist nur ein erster Überblick über die zahlreichen Ortswechsel innerhalb von Prag, deren Ursprung im Übrigen in der Regel im sozialen Aufstieg der Familie Kafka lag, denn das Galanteriewarengeschäft von Hermann und Julie Kafka lief sehr gut und die Familie konnte sich mit der Zeit immer besserer, größere und zentralere Wohnungen leisten. Wir werden auf einzelne Adressen nochmals zu sprechen kommen.
Die meisten Häuser hatten früher tatsächlich Namen, die entweder mit der Geschichte oder der Erscheinung bzw. dem Aussehen des Hauses in Verbindung standen. Diese Hausnamen gab es weit vor Einführung von Straßennamen und Hausnummern und diente bis ins frühe 20. Jahrhundert vielen Menschen als Orientierung, insbesondere in den Zeiten in denen die Alphabetisierung noch sehr gering war.
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