Kafkas Fremdsprachenkenntnisse

Es ist ein weitverbreitete Irrglaube, dass Franz Kafka ein Provinzdichter war, der den sprachlichen und kulturellen Horizont der Stadt Prag nicht überschreiten konnte – ebenso wie es ein Irrtum ist, dass Kafka aufgrund der Abgeschottenheit der kleinen deutschen Gemeinde innerhalb der mehrheitlichen Tschechen in Prag nur eine karge, wortarme deutsche Sprache beherrschte. Dass Kafka nicht nur im Deutschen sondern auch in anderen Fremdsprachen versiert war, lässt sich mit zahlreichen Dokumenten belegen.

Am 1. Oktober 1907 tritt Franz Kafka in der Prager Filiale der Assicurazioni Generali seine erste Arbeitsstelle an und gibt dort am 2. Oktober in einem Personalfragebogen zu Frage der Fremdsprachen „böhmisch, außerdem französisch und englisch, doch bin ich in den beiden letzteren Sprachen außer Übung“ (Franz Kafka: Briefe 1900 – 1912, Frankfurt/Main 1999, S.69) und auch als er sich am 30. Juni 1908 in der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt um eine Anstellung bewirbt, schreibt er „Der Petent ist der deutschen und böhmischen Sprache in Wort und Schrift mächtig, beherrscht ferne die französische, teilweise die englische Sprache“ (Franz Kafka: Briefe 1900 – 1912, Frankfurt/Main 1999, S.84). Wir wissen außerdem, dass sich Kafka 1911 und 1912 intensiv mit dem Jiddisch auseinandersetzte, dass er in seinen späten Lebensjahren begann Hebräisch zu lernen und dass er ein humanistisches Gymnasium mit Griechisch- und Lateinunterricht besuchte. Franz Kafka hat im Laufe seines Lebens also viele Sprachen kennengelernt und hat sich immer für die Sprachen interessiert.