Am 1. Dezember 1921 schreibt Kurt Tucholsky unter seinem Pseudonym „Peter Panter“ in der Weltbühne:

„Und am dritten Abend – hier sollte ich eigentlich eine neue Seite anfangen. Der dritte Abend brachte mir den bisher stärksten Eindruck diese Winnters. Ludwig Hardt las Franz Kafka. Wer Ludwig Hardt ist, wissen die Leute zwar – ohne nun etwa scharenweise in Vortragsabende zu laufen, deren Programm sie bei Andern dauernd postulieren. Seit fünfzehn Jahren keine Konzession – das ist viel. Und seit fünfzehn Jahre reife und volle Sprechkunst – das ist mehr. Diesmal unter anderen herrlichen Dingen: Franz Kafka. Wer das ist, wissen leider noch viel zu wenige – ich habe einmal über seine Strafkolonie referiert und will es nächstens über den ganzen Mann tun. Er ist ein Großsohn von Kleist – aber doch ganz selbständig. Er schreibt die klarste und schönste Prosa, die zur Zeit in deutscher Sprache geschaffen wird. Er blüht von Phantastischem und Phantasie – aber fest und sachlich sind Sätze und Rhytmus gestaltet. Nichts von der konventionellen Weichheit Prags, in welcher Stadt er wohnt – nichts von Modeströmung. Das ist auf einer anderen Welt gewachsen.“

(Jürgen Born [Hg.]: Franz Kafka. Kritik und Rezeption zu seinen Lebzeiten 1912 – 1924, Frankfurt/Main 1979)

Kurt Tucholsky (1890 – 1935) hatte sich schon im Januar 1913 sehr wohlwollend in einem Artikel im Prager Tagblatt zu Kafkas Betrachtung geäußert und am 3. Juni 1920 über die Strafkolonie unter seinem Pseudonym Peter Panther. Diesen Artikel kannte Kafka zwar nicht jedoch erfuhr er von dieser Rezension sowohl von Felix Weltsch als auch in einem Brief von Max Brod vom 9. Juni 1920:

Liebster Franz –

Zuerst zwei Nachrichten, die dich freuen dürften: 1.) In der Weltbühne las Felix (nicht ich) einen großen Aufsatz von Peter Panther (Tucholski?) über deine „Strafkolonie“, sehr entzückte Vergleiche mit Kleis u.s.f. […]“

(Franz Kafka, Briefe 1918 – 1920, Frankfurt/Main , S. 729)

Franz Kafka und Kurt Tucholsky kannten sich auch persönlich, zumindest ist ein Treffen von Ende September 1911 in Kafkas Tagebuch überliefert:

„Tucholski und Safranski. das gehauchte Berlinerisch, in dem die Stimme Ruhepausen braucht, die von „nich“ gebildet werden. Der erste ein ganz einheitlicher Mensch von 21 Jahren. Vom gemäßigten und starken Schwingen des Spazierstocks, das die Schulter jugendlich hebt, angefangen bis zum überlegten Vergnügen und Mißachten seiner eigenen schriftstellerischen Arbeiten.“

(Franz Kafka, Tagebücher, Frankfurt/Main 2002, S. 46)

Vermutlich lernte Kafka den damaligen Jurastudenten Kurt Tucholsky und den Zeichner Kurt Szafranski kennen, als die beiden Berliner Ende September 1911 für ein paar Tage in Prag verweilten und dabei Max Brod einen Besuch abstatteten. Dies ist die einzige überlieferte Begegnung zwischen Tucholsky und Kafka.