Am 13. August 1912 lernt Franz Kafka Felice Bauer kennen. Er ist an diesem Abend zu Besuch bei Max Brod mit dem er die Auswahl für seine erste Buchveröffentlichung „Betrachtung“ besprechen möchte. Irgendwie scheint ihn diese erste Begegnung bewegt zu haben, denn schon am nächsten Morgen schreit Kafka an Brod:

Guten Morgen!

Lieber Max, ich stand gestern beim Ordnen der Stückchen unter dem Einfluß des Fräulein, es ist leicht möglich, daß irgend eine Dummheit, eine viellicht nur im geheimen komische Aufeinanderfolge dadurch entstanden ist.

(Franz Kafka. Briefe 1900 – 1912, Fischer Verlag, Frankfurt/Main 1999, S. 166)

Erst einige Tage später, vermutlich am oder um den 20. August notiert Kafka in sein Tagebuch:

Frl. Felice Bauer. Als ich am 13. VIII zu Brod kam, saß sie bei Tisch und kam mir doch wie ein Dienstmädchen vor. Ich war auch gar nicht neugierig darauf, wer sie war, sondern fand mich sofort mit ihr ab. Knochiges leeres Gesicht, das seine Leere offen trug. Freier Hals. Überworfene Bluse. Sah ganz häuslich angezogen aus, trotzdem sie es, wie sich später zeigte, gar nicht war. […] Fast zerbrochene Nase. Blondes, etwas steifes reizloses Haar, starkes Kinn. Während ich mich setzte, sah ich sie zum erstenmal genauer an, als ich saß, hatte ich schon ein unerschütterliches Urteil. Wie sich-

(Franz Kafka. Tagebücher, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/Main 2002, S. 431f.)

In der Tat endet der Tagebucheintrag ganz abrupt und doch scheint er sehr prophetisch zu sein.