Am 5. Dezember 1914 erhält Franz Kafka einen Brief von Erna Bauer, Schwester von Kafka ehemaliger Verlobten Felice Bauer, die zu einem Tagebucheintrag voller Selbstzweifel und Selbstvorwürfen führt:

„Ein Brief von Erna über die Lage ihrer Familie. Mein Verhältnis zu der Familie bekommt für mich nur dann einen einheitlichen Sinn, wenn ich mich als das Verderben der Familie auffasse. Es ist die einzige organische alles Erstaunliche glatt überwindende Erklärung, die es gibt. Es ist auch die einzige tätige Verbindung, die augenblicklich von mir aus mit der Familie besteht, denn im übrigen bin ich gefühlsmäßig gänzlich von ihr abgetrennt, allerdings nicht durchgreifender, als vielleicht von der ganzen Welt. (Ein Bild meiner Existenz in dieser Hinsicht gibt eine nutzlose, mit Schnee und Reif überdeckte, schief in den Erdboden leicht eingebohrte Stange auf einem bis in die Tiefe aufgewühlten Feld am Rande einer großen Ebene in einer dunklen Winternacht.) Nur das Verderben wirkt. Ich habe F. unglücklich gemacht, die Widerstandskraft aller, die sie jetzt so benötigen, geschwächt, zum Tode des Vaters beigetragen, F. und E. auseinandergebracht und schließlich auch E. unglücklich gemacht, ein Unglück, das aller Voraussicht nach noch fortschreiten wird.“

(Franz Kafka, Tagebücher, Frankfurt/main 2022, S. 704 f).

Der Brief von Erna Bauer ist überliefert und es lohnt sich diesen Brief zu lesen, denn damit stellt sich der komplette Tagebucheintrag vom 5. Dezember 1914 in Frage, es wundert nur noch, warum Franz Kafka jede noch so harmlose Gelegenheit nutzt, um sich selbst dergestalt zu erniedrigen.