Am 20. November 1924 erschien Thomas Mann „Der Zauberberg“ in zwei Bänden im Fischer Verlag – ein Buch, das Franz Kafka nicht mehr lesen konnte. Wir können leider auch nicht wissen, ob er es gelesen hätte, da wir nur ahnen können, dass Kafka Thomas Mann gerne gelesen hat, denn in einem Brief an Max Brod vom 13. Oktober 1917 schreibt Kafka: „Mann gehört zu denen, nach deren Geschriebenen ich hungere.“ Das klingt nach einem Vielleser, doch es gibt nur wenige autobiographische, schriftliche Belege für Kafkas Lektüre von Thomas Mann. Neben dem bereits zitierten Satz aus dem Oktober 1917, fällt die erste dokumentierte Mann-Lektüre in das Jahr 1904 als Kafka gerade 21 Jahre alt war. Ebenfalls in einem Brief an Max Brod schreibt Kafka:

„Ich wunderte mich, daß Du mir nichts über Tonio Kröger geschrieben hast. Aber ich sagte zu mir: „Er weiß wie froh ich bin wenn ich einen Brief von ihm bekomme und über Tonio Kröger muß man etwas sagen.“

(Franz Kafka, Briefe 1900 – 1912, Frankfurt/Main 1999, S. 41)

In dem weiteren Briefverlauf erläutert Kafka eine Ähnlichkeit zwischen der Novelle „Ausflug ins Dunkelrothe“ von Max Brod und Thomas Manns „Tonio Kröger“ und diese Ausführungen legen nahe, dass Kafka mit dem „Tonio Kröger“ vertraut war. Damit endet allerdings die Liste der Lektürebelege des „hungrigen Lesers“ Franz Kafka. Der zu Kafkas Lebzeiten 1901 erschienene Roman „Die Buddenbrooks“ – immerhin die Grundlage von Thomas Mann Weltruhm und die Begründung des Nobelpreises – oder der 1911 erschienene „Tod in Venedig“ wie auch viele weitere Erzählungen und Novellen bleiben in Kafkas Briefen und Tagebücher ohne Erwähnung. Auch das beschreibende Verzeichnis „Kafkas Bibliothek“ von Jürgen Born verzeichnet kein Buch von Thomas Mann in Kafkas Bibliothek.

Der nach Thomas Mann hungernde Franz Kafka gibt uns auch hier wieder ein Rätsel auf.