„Der Golem“ von Gustav Meyrink erscheint vor 110 Jahren
Am 1. Dezember 1915 erscheint im Kurt Wolff Verlag der Roman „Der Golem“ des deutschsprachigen Prager Schriftstellers Gustav Meyrink (1868 – 1932) – ein heute immer noch empfehlenswertes Buch für Prag- und Kafka-Interessierte, das die Atmosphäre des jüdischen Prags um 1900 gut wiedergibt. Der Ich-Erzähler legt sich nieder, träumt nicht und wacht nicht und vermischt in seinem Bewusstsein Gelesenes, Geträumtes und Gehörtes mit tatsächlich erlebtem und führt den Leser in eine grotesk-phantastische Welt. Die verwinkelte, geheimnisvolle und rätselhafte Welt des Prager Judenviertels existiert zwar in der Traumwelt des Ich-Erzählers, jedoch wird sie realistisch und rational dargestellt. Hierdurch ist „Der Golem“ auch mehr als ein Schauerroman und hat bis ins 21. Jahrhundert überdauert.
Gustav Meyrink lebte nur bis 1903 in Prag und zog dann nach Wien, das er 1913 wieder verließ, um nach Starnberg zu ziehen. Auch wenn Gustav Meyrink oft im Kontext von Max Brod, Paul Kornfeld und Franz Kafka erwähnt wird (zum Beispiel im Kindlers Literaturlexikon, München 1988, Band 11), so gibt es keine Belege dafür, dass sich Kafka und Meyrink auch persönlich begegnet wären. Ebenso ist Kafka Lektüre des Golems ungewiss, aber sicher ist, dass der Leser Franz Kafka den Schriftsteller Gustav Meyrink kannte.
Am 24. Januar 1904 hält Max Brod einen Vortrag in der „Lese- und Redehalle“ über eher unbekannte Werke von Gustav Meyrink und es gilt laut der Biographie von Reiner Stach als wahrscheinlich, dass Kafka bei diesem Vortag anwesend war. Außerdem schreibt er am 10. August 1916 an Georg Heinrich Meyer im Kurt Wolff Verlag über den Druck der „Fledermäuse“, Gustav Meyrinks Sammelband von sieben Geschichten, die im Kurt Wolff Verlag im Juni 1916 veröffentlich wurden und wir können dadurch davon ausgehen, dass er dieses Geschichten kannte.
Außerdem war Milena Jesenská 1920 mit der Übersetzung von Gustav Meyrinks Erzählungen aus „Des deutschen Spießers Wunderhorn“ ins Tschechische beschäftigt und es ist stark davon auszugehen, dass sich die beiden Literaturbegeisterten hierüber austauschen.
Wer sich mehr mit Leben und Werk von Gustav Meyrink beschäftigen möchte, dem sei die Biographie von Hartmut Binder „Gustav Meyrink. Ein Leben im Bann der Magie“ empfohlen.