Archive: Februar 15, 2024

Kafkas Reisen

Viele Kurzbiographien erwecken den Eindruck, dass Kafka nicht oder nur begrenzt über die Prager Altstadt hinausgekommen ist, doch ist dies so nicht richtig.

Franz Kafka war zwar kein Weltenbummler, denn dazu fehlte ihm sowohl die Zeit als auch das Geld und dennoch reiste er gerne und viel. Schon als junger Mann war er direkt nach bestandenem Abitur auf Helgoland und Norderney – eine Reise, die ihm von seiner Familie finanziert wurde. Er machte Reisen nach Berlin und Paris und lernte somit die viert- und drittgrößte Stadt der Welt (nach New York und London) kennen. Er war an der Ostsee und Nordsee, er machte Reisen nach Wien und Italien und war ebenso in Tschechien und Böhmen unterwegs. Er war auf Dienstreisen, machte Urlaube und begab sich zu Kuraufenthalten in verschiedene Observatorien.

Insbesondere mit seinem lebenslangen Freund Max Brod machte Franz Kafka einige Reisen, z.B. 1909 nach Norditalien und Paris, 1910 wieder nach Paris, 1912 nach Weimar und andere. Das Verkehrsmittel der Wahl ist zu dieser Zeit stets die Eisenbahn, die Kafka durch Tschechien, Böhmen, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Ungarn und Norditalien fährt. Als fleißiger Briefeschreiber verfaßt Kafka auch zahlreiche Briefe und versendet Postkarten aus seinen Urlaubs- und Kuraufenthalten, die zu einem großen Teil erhalten sind und kommentiert im Fischer-Verlag in fünf Bänden herausgegeben werden.

Gemessen an heutigen Verhältnissen hat Franz Kafka nicht viel von der Welt gesehen, für die Umstände um 1900 herum jedoch ist er ein viel gereister Mann. Die Mehrheit der Prager konnten sich solche Reisen weder zeitlich noch finanziell leisten.


Kinostart „Die Herrlichkeit des Lebens“

Heute, am 14.03.2024, läuft bundesweit in den Kinos der Film „Die Herrlichkeit des Lebens“ nach dem gleichnamigen Roman von Michael Kumpfmüller an. Der Film schildert in knapp 100 Minuten das letzte Lebensjahr von Franz Kafka, das unter anderem durch seine letzte Liebesbeziehung zu Dora Diamant auf eine glückliche Weise geprägt war.

Der Hauptdarsteller Sabin Tambrea, der die Rolle des Franz Kafka spielt, war am Montag in dieser Woche noch auf der lit.Cologne zusammen auf der Bühne mit Rüdiger Safranski und hat „Das Urteil“ gelesen. Im Rahmen dieser Veranstaltung hat er auch einen kurzen Einblick in seine Rolle und den Dreh gegeben und man merkte, wie sehr ihm die Rolle des Kafkas ans Herzen gewachsen ist.

Wir können sehr gespannt auf diesen Film sein und einen Kinobesuch planen.


Franz Werfel

Franz Werfels Fehlurteil

Am Abend des 9. März 1908 liest Max Brod seinen Freunden Willy Haas (1871 – 1973) und Franz Werfel (1890 – 1945) einige Text von Franz Kafka vor. Anschließend fällt Franz Werfel sein literarisches Urteil: „Das kommt niemals über Bodenbach hinaus.“ Bodenbach liegt nördlich von Prag an der deutschen Grenze und Werfel drückte damit aus, dass er Kafka für einen regionalen Dichter hält, der es zu keinem größeren Erfolg bringen wird. Mit dieser Einschätzung lag Werfel ganz falsch, wie man kaum erläutern muss, denn heute ist Franz Kafka auflagenstärker und Franz Werfel, wenn auch zu Unrecht, beinah vollständig vergessen.

Willy Haas erzählt von diesem Abend in seinen Erinnerungen:

„Nachdem Max Brod mir öfters von seinem geheimnisvollen, genialen Freund erzählt hatte, sagte er sich einmal bei mir zuhause an, um ein paar Fragmente Kafkas vorzulesen, die demnächst in einer neuen, höchst luxuriösen und snobistischen Zeitschrift ‚Hyperion‘ erscheinen würden. Außer mir sollte nur noch Werfel zugegen sein.
Die „Vorlesung spielte sich in dem einigermaßen grotesken Repräsentationsraum oder ‚Speisezimmer‘ unserer Wohnung ab. Schwere geschnitzte Eichenmöbel in einem tollen gotisch-ägyptischen Mischstil, mit Sphinxen und Spitzbogen, dazu Perserteppiche und Meißner Rokoko-Porzellanfiguren bildeten die Szenerie.
Brod las eine Skizze von Kafka, noch eine, und noch eine dritte. Werfel und ich schauten einander verwundert an. Dann sagte Werfel ziemlich aufgebracht: ‚Das kommt niemals über Bodenbach hinaus!‘ […]
Bitter und stumm empört packte Brod die Manuskripte ein. Wir sprachen nicht mehr darüber.“

(Hans-Gerd Koch, „Als Kafka mir entgegenkam“, Wagenbach-Verlag 2013, S.82)

Ob Max Brod wirklich so empört war, wissen wir zwar nicht, wir können es aber bezweifeln, denn gehörte auch Franz Werfel zu seinen literarischen Protégés – genauso wie Kafka – und alle pflegten auch über diesen Abend hinaus eine intensive Freundschaft und letztlich schätzten sich alle gegenseitig als Menschen und als Dichter.

Kafka äußert sich über Werfel am 18. Dezember 1911 in einem emotionalen Ausbruch:

„Ich hasse W., nicht weil ich ihn beneide, aber ich beneide ihn auch. Er ist gesund, jung und reich, ich in allem anders. Außerdem hat er früh und leicht mit musikalischem Sinn sehr gutes geschrieben, das glücklichste Leben hat er hinter sich und vor sich, ich arbeite mit Gewichten, die ich nicht loswerden kann und von Musik bin ich ganz abgetrennt.“

(Franz Kafka, Tagebücher, Fischer Verlag, S. 299)

Dieser Eintrag wurde von Max Brod in seiner Herausgabe der Tagebücher komplett unterschlagen und wurde erst mit der kritischen Ausgabe in den 1980er Jahren durch Malcom Pasley öffentlich. Man sollte diesen Eintrag in das Tagebuch aber auch nicht wortwörtlich nehmen, sondern als entfesselte Begeisterung und Antiphrase deuten.


Wechsel zur lateinischen Kurrentschrift

Im Laufe des Jahres 1908 wechselt Franz Kafka von der deutschen Kurrentschrift (Quelle des obigen Bilds, Wagenbach, S. 60) zur lateinischen Kurrentschrift. Die Kurrentschrift ist die sogenannte laufende Schrift, d.h. eine Schreibschrift, in der die Buchstaben ineinander überlaufen.

Das obige Bild des Beitrags zeigt die Handschrift Kafkas (deutsche Kurrentschrift) aus dem Jahre 1904:

„Und die Menschen gehen in Kleidern
Schwankend auf dem Kies spazieren
Unter diesem großen Himmel,
Der von Hügeln in der Ferne
Sich zu fernen Hügeln breitet.“

(Franz Kafka, Motto zu Beschreibung eines Kampfes)

Wie angenehmer ist da doch die lateinische Kurrentschrift zu lesen, wie hier am Beispiel des Beginns von „Der Process“:

Alle Herausgeber, Biographen, Forscher und auch einfach nur Kafkaliebhaber können froh sein, dass Kafka diesen Wechsel in seiner Handschrift vollzogen hat, denn dies ist doch wesentlich einfacher und flüssiger zu lesen – warum er dies getan hat, ist mir allerdings auch unbekannt.

Franz Kafkas Handschrift ist sicherlich vielen Menschen bekannt, da das Schriftbild zahlreiche Dinge, wie Postkarten, T-Shirts, Tassen, Stifte und vieles mehr ziert und wenn man möchte kann man Kafkas Handschrift als Schriftsatz auch auf seinem PC installieren.


Annäherung an Kafka III

Wie sich Kafka nähern, was von Kafka lesen? Die erste Lektüre von Kafka kann fesselnd oder abschreckend sein – was auch immer es ist, bleiben Sie dran. Vielleicht wollen Sie sich aber auch auf anderen, indirekten Wegen Kafka nähern – nach den ersten Tipps aus Januar und Februar nähern wir uns heute Kafka wieder auf ganz andere Weise.

Im August 1912 lernt Franz Kafka bei der Familie Brod Felice Bauer kennen und es beginnt Kafkas produktivste Zeit in den Jahren 1913 und 1914. Er unternimmt zahlreiche Dienst- und Erholungsreisen, schreibt hunderte von Briefen, schreibt Tagebuch, veröffentlicht sein erstes Buch („Betrachtung„), vollendet „Das Urteil“ in einer Nacht, „Die Verwandlung“ in wenigen Wochen und beginnt „Der Prozess“, er liest viel und widmet sich ganz der Literatur.

„Ich habe kein litterarisches Interesse sonder bestehe aus Litteratur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein.“

(Franz Kafka an Felice Bauer am 14. August 1913)

Ein möglicher Einstieg in das Leben und Werk von Franz Kafka ist es, sich in dessen Zeit zurückzuversetzen und hierzu sei die folgende Lektüre empfohlen:

Florian Illies, „1913. Der Sommer des Jahrhunderts„, ein amüsanter, tiefgründiger und leicht zu lesender Parcoursritt mit einem Panorama der Literatur, Kunst und Musik der beginnenden Gegenwart, und die Nr. 65 der Geo Epoche, „1914. Das Schicksalsjahr des 20. Jahrhunderts“, die auch ein separates Kapitel zur Entstehung von Kafkas Proozess bereithält. Beide Lektüren können uns Kafkas Lebzeiten näher bringen und bieten unterhaltsame und lehrreiche Lesestunden.


Sir Malcom Pasley – 20. Todestag

Heute vor 20 Jahren am 4. März 2004 starb Sir Malcom Pasley, der sich um die kritische Ausgabe der Werke von Franz Kafka verdient gemacht hat. Malcom Pasley studierte und lehrte anschließend in Oxford Germanistik und war schon früh vom Leben und Werk Franz Kafkas begeistert, so dass er sich in zahlreichen Studien diesem Dichter widmete. Malcom Pasley war die treibende Kraft, alle verfügbaren Manuskripte, Briefe, Tagebücher etc. von Franz Kafka in der Boldleian Bibliothek zu archivieren. Er selber hat auch Manuskripte erworben. SO wird immer wieder die Anekdote erzählt, wie Pasley mit dem Auto von Schweiz nach England fuhr und im Gepäck einige Manuskripte von Kafka mitführte – es ist überliefert, dass es sich bei dem Auto nicht um einen VW Käfer handelte.

Im Anschluss an die Veröffentlichung der Kafka-Werke ab 1982 in der Kritischen Ausgabe im S. Fischer Verlag erhielt Pasley Kritik an der Vollständigkeit der deutschen Ausgabe. Zum Zweck eine historisch-kritische Ausgabe zu erstellen hat der Stroemfeld Verlag um die Erlaubnis gebeten, die Manuskripte einzuscannen, um daraus eine Faksimile-Ausgabe und eine CD-ROM zu erstellen, so dass diese einem möglichst breiten Leser- und Forscherkreis dauerhaft zugänglich wird. Abgesehen von der Vollständigkeit gaben der Stroemfeld Verlag an, dass sie um die Erhaltung der Werke besorgt seien, denn einige seien mit Bleistift geschrieben und viele seien verblasst und brüchig.

Pasley lehnte diese Forderungen ab, ebenso wie Marianne Steiner, die 1998 dem Observer sagte: „Ich kann ihnen [die schrecklichen Dinge, die sie über Pasley gesagt hatten] nicht verzeihen. Ich will nicht, dass sie irgendetwas mit den Manuskripten zu tun haben.“

Im April 1998 veröffentlichte Stroemfeld eine Faksimile-Version von „Der Prozess“. Da sich das Manuskript im Besitz der deutschen Regierung bzw. des Deutschen Literaturarchivs in Marbach befand, war es für nun für den Verlag zugänglich. In dieser Veröffentlichung werden Manuskript und Abschrift nebeneinander aufgeführt. Neben dem „Prozess“ als Auftakt der Historisch-Kritischen Kafka Ausgabe sind mittlerweile weitere Manuskripte in diese Ausgabe mit aufgenommen worden, doch es fehlen weiterhin zahlreiche Werke aufgrund der anhaltend fehlenden Kooperation der Bodleian Library.

Nichtsdestotrotz sollen an dieser Stelle die Verdienste von Pasley um die Kritische Textausgabe von Franz Kafkas Schriften und Tagebüchern gebührend geehrte und bedacht werden.


Kafkas Verwandlung als Graphic Novel

„Die Verwandlung“ als Graphic Novel

Die Verwandlung als Graphic Novel aus dem Knesebeck Verlag ist nicht nur meine erste Kafka Adaption als „Comic“ sondern meine erste Graphic Novel überhaupt – und kurz und knapp: ich tue mich sehr schwer damit.
Zumindest tue ich mich schwer damit, wenn literarische Werke als Graphic Novel adaptiert werden, denn ein Zweck in den Grafiken und Zeichnungen scheint doch zu sein, das zu konkretisieren, was man sich sonst ganz auf sich gestellt im Kopf vorstellen muss – aber genau das ist doch der Zweck der Literatur. Nun könnte man meinen, dass damit auch der Film, genauer die Verfilmung eines Werkes von Kafka, mir Probleme bereiten würde. Dies ist aber wiederum nicht der Fall, denn der Film geht ja ein paar Schritte weiter. Er liefert nicht einfache Bilder, die meine Kopfarbeit ersetzen, sondern er liefert über den schriftlichen Roman hinaus, Bewegung und Zeit im Bild. Eine Verfilmung wie z.B. „Das Schloß“ von Michael Haneke macht dies z.B. ganz grandios, in dem Szenen aus Kafkas Roman nachgestellt werden, unterstützt von einem Erzähler, die Kulissen sind orts- und zeitlos wie im Roman und nach dem Film erinnert man sich sehr gut an die Handlung und Dialoge, aber kaum an konkrete Bilder.

Nun aber zur „Verwandlung“ als Graphic Novel konkret: die Bilder sind mir persönlich viel zu düster gestaltet, stets in dunklen Farbtönen und mit scharfen Konturen. Die Zeichnungen zeigen Perspektiven, die die Erzählung selber nicht kennt, denn abgesehen vom Ende spielt die ganze Erzählung nur in der Wohnung von Gregor Samsa und seiner Familie, die Graphic Novel zeichnet aber regelmäßig Bilder aus dem Stadtleben, so dass der Horizont weit über den Erlebnishorizont von Gregor Samsa geht. Der wichtigste Kritikpunkt für mich aber ist schließlich das Insekt selber, nicht wie es gezeichnet ist, sondern dass es überhaupt gezeichnet ist. Ich sehe Gregor Samsa nicht als Insekt und Kafka wollte es auch nicht gezeichnet sehen. Aber dies ist nur meine ganz persönliche Meinung.

Nach Franz Kafka adaptierte Graphic Novels gibt es noch weitere, unter anderem:

  • Das Urteil“ im Knesebeck Verlag
  • „Das Schloss“ im Knesebeck Verlag – nur noch antiquarisch erhältlich

Und auch über Franz Kafka gibt es Graphic Novels, unter anderem:

Graphic Novels haben mittlerweile auch Einzug in die Schullektüre und in den Deutschunterricht gehalten und sicherlich können sie auch dem ein oder anderen Leser einen Einstieg in die literarischen Werke, die als Grundlage dienten, bieten.


Sondermarke zu Franz Kafkas 125. Geburtstag

Franz Kafka Sondermarke

„Der Kafka, dat war schon ne Marke“ – zweifelsohne kann dies soweit erstmal stehen bleiben, aber hier soll es um die Sondermarke der Deutschen Post gehen, die es in diesem Jahr 2024 zum 100. Todestag von Franz Kafka nicht geben wird.

Zuletzt gab es zum 125. Geburtstag von Franz Kafka eine Sondermarke, die im Beitragsbild oben zu sehen ist und auch schon zu Kafkas 100. Geburtstag 1983 gab es eine Sondermarke:

Sondermarke zu Franz Kafkas 100. Geburtstag

Franz Kafka schrieb in seinem Leben über 1.700 Briefe und Postkarten an seine Freunde, Freundinnen, seine Familie und natürlich an seine Verlobten. Er war ein fleißiger Briefeschreiber, der Briefe nicht nur zur Mitteilung, sondern auch zur Selbstreflektion und literarische Stilübung nutzte – eine Sondermarke zu Ehren dieses Dichters und passionierten Briefeschreiber wäre auch 2024 noch durchaus passend.


Felice Bauer und Franz Kafka

Kafka wartet ungeduldig auf Post

Kafkas Briefwechsel mit seiner zweifachen Verlobten Felice Bauer erstreckt sich über fünf Jahre von 1912 bis 1917. In diesen fünf Jahren schreibt Kafka über 500 Briefe und Postkarten und immer wieder schreibt er an Felice, dass sie mehr schreiben soll, dass Briefe von ihr verloren gegangen sein müssen, dass die erwarteten Briefe nicht angekommen seien, dass sie zu wenig oder zu spät schreibe… Einige dieser ungeduldigen – aus der Außenperspektive herrlich komischen – Briefe sollen hier ausschnittsweise wiedergeben werden.

Prag, 27. Juli 1913, Sonntag

„Wieder ein Sonntag ohne Dich! Es ist doch ein häßliches Leben. Und das Schlimme ist, daß Du mir nur deshalb nicht geschrieben haben kannst, weil Du meinen Expressbrief mißverstanden hast. Der Brief, den Du heute bekommen hast, hat es ja klar gemacht […] Aber nun bitte liebste Felice, jeden Tag schreiben, wenn es möglich ist, undzwar ins Bureau sonst dauert es zu lange, ehe ich es bekomme. Dass weißt Du ja und schreibst mir doch immer wieder (immer wieder! in den letzten 14 Tagen war es alles in allem einmal) in die Wohnung.
Also Mut und Vertrauen und kein Mißverstehen.

Dein Franz

Und nur einen Tag später:

„28 VII 13
Wieder kein Brief. Wie Du mich nur so quälen kannst, Felice. So unnütz quälen. Wo doch ein paar Worte mir wohl täten und die Kopfschmerzen ein wenig beseitigen könnten, in denen mein Kopf wie in einer Haube steckt. Schriebest Du doch, daß Du Dich noch nicht entschlossen hast oder daß Du nicht schreiben kannst oder nicht willst. Mit 3 Worten wäre ich ja zufrieden, aber nichts! nichts!“

Und wieder zwei Tage später:

„30 VII 13
Ich hätte gestern, ja schon vorgestern einen Brief von Dir haben haben müssen Felice. Und wenn schon kein Brief, so auf meinen gestrigen Brief ein Telegramm. Du hättest mich nicht in diesem Zustand lassen dürfen […]“

Dies ist nicht etwa eine einmalige Momentaufnahme, es gibt zahlreiche weitere solcher Fundstellen im Briefwechsel der beiden. Schon am 21. November 1912 – der Briefverkehr bestand erst seit zwei Monaten – schrieb Kafka an Felice:

„Liebste, armes Kind! Du hast einen kläglichen und äußerst unbequemen Liebhaber. Bekommt er zwei Tage lang keinen Brief von Dir, schlägt er wenn auch nur mit Worten besinnungslos um sich […] begreife das alles und sei nicht böse. Jetzt habe ich ja die Erklärung für Dein Nichtschreiben, aber höre nur: Montag bekam ich keinen einzigen Brief, der Brief, der Deiner Meinung nach hätte kommen sollen, müßte Samstag abend eingeworfen worden sein, also dieser Brief ist jedenfalls verloren gegangen, ich bekam nur am Sonntag Deinen Samstagvormittagbrief; was stand denn nur in diesem Samstagabendbrief, schreib es mir, wenn Du es noch weißt, damit ich mir wenigstens in der Erinnerung den schlimmen Montag versüße. Nun hatte ich also Montag keinen Brief, Dienstag nur den Sonntagbrief und den mit Gewalt erpreßten Eilbrief, aber Mittwoch war nun wieder kein Brief da […] Es scheint mir aber auch fast, daß irgendeiner meiner Briefe verloren gegangen sein muß. Ich habe Dir seit Freitag, meiner beiläufigen Rechnung nach, gewiß 14 oder 15 Briefe geschrieben und Du solltest am Dienstag nur einen Brief bekommen haben […]“

Im Briefwechsel von Franz Kafka und Felice Bauer sind leider nur die Briefe Kafkas erhalten geblieben. Sie bieten dennoch einen tiefen Einblick ins Kafkas Leben, insbesondere seine Beziehung zu Felice und ihrer beider Liebe, die sich fast ausschließlich in diesen Briefen äußert, denn in den fünf Jahren vom ersten Kennenlernen bis zur endgültigen Trennung gab es nur sehr wenige physische Begegnungen der beiden. Außerdem ist dieser Briefwechsel ein großartiges Stück Literatur, was gerne gelesen werden will.